Als die meisten Menschen noch Pferde als Transportmittel nutzten, soll der Autobauer Henry Ford gesagt haben: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, dann hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“
Frithjof Bergmann, Sozialphilosoph und Begründer von New Work ist mit der Idee angetreten ein Auto zu erschaffen und nicht ein schnelleres Pferd. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen und daher ist sein ganzheitlicher Ansatz von New Work das Gegenmodell zum traditionellen Arbeitsmodell.
Doch viele Unternehmen optimieren immer noch ihr Pferd, anstatt sich in ein Auto zu verwandeln
Diese Unternehmen verstehen New Work als Hype. Sie setzen Werkzeuge des New Work hauptsächlich dazu ein, um sich nach außen und nach innen als einen attraktiven Arbeitgeber darstellen zu können.
Sie flexibilisieren ein wenig die Arbeitszeit, bieten für ein bis zwei vorgegebene Tage Homeoffice an und gestalten die Büroarbeitsplätze um.
Laut einer Studie von GALLUP aus dem Jahr 2021 reicht das aber bei weitem nicht aus.
Denn in den letzten zwei Jahrzehnten waren in Deutschland laut Studie ungefähr zwei drittel aller Mitarbeiter unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation. Daraus folgern die Macher der Studie, dass deutsche Unternehmen in den letzten 20 Jahren keinen nennenswerten Fortschritt darin erzielt haben, die fundamentalen menschlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu erfüllen.
Nur Manager, die gezielt auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingingen, konnten engagiertere Mitarbeiter vorweisen.
Die Macher der GALLUP-Studie sehen daher Manager zunehmend in der Rolle des Coaches, der die Mitarbeiter dabei unterstützt, dass ihre Arbeit zu einem sinnvollen Bestandteil ihres Lebens wird.
Wir benötigen also flexiblere Arbeitsmodelle, die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden können und sich an die unterschiedlichen Lebenssituationen eines Menschen anpassen.
Und diese Aussage bezieht sich nicht nur auf die Arbeitszeit. Es geht um die Flexibilisierung und Individualisierung von Zeit, Ort, Arbeitsweisen und Arbeitsinhalten. Es geht insgesamt um flexible Arbeitsmodelle.
Ist das traditionelle Arbeitsmodell tot?
Fangen wir doch mit dem traditionellen Arbeitsmodell an, das die Zeit der Industrialisierung durchzogen hat und teilweise bis heute genutzt wird.
Die Präsenzarbeitszeit am Arbeitsort mit festen Start- und Endzeiten.
Die Arbeit steht hier an oberster Stelle und alles andere muss sich unterordnen.
Am Anfang der Industrialisierung waren Arbeitszeiten von 70 bis 100 Stunden wöchentlich üblich. Auch Kinder konnten zu Arbeiten von 40 bis 60 Stunden pro Woche herangezogen werden. Da die Arbeit in der Regel körperlich sehr anstrengend war, konnte man den Tag grob in zwei Phasen einteilen: Arbeiten und Schlafen.
Der Autobauer Henry Ford machte in den USA die 40-Stunden Woche um 1920 populär, als der öffentliche Druck größer wurde und er feststellte, dass seine Arbeiter bei kürzeren Arbeitszeiten wesentlich produktiver waren. In Deutschland wurde die 40-Stunden-Woche ab den 1950er Jahren eingeführt.
Henry Ford proklamierte mit der Einführung des berühmten „9 to 5“-Arbeitstages: Es wird Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Freizeit für Arbeitskräfte verlorene Arbeitszeit ist.
Mit der Frage, wie man die so gewonnene Freizeit und die Arbeit so ausbalancieren kann, dass die Menschen in ihrem Berufsleben möglichst produktiv sind und selten krank werden, entwickelte sich später der Begriff der Work-Life Balance.
Diese Wortzusammenstellung zeigt deutlich, wie hier die Arbeit getrennt vom eigentlichen Leben betrachtet wird. Die Arbeit als wenig sinnstiftende und wenig erfüllende Pflicht im Kontrast zum richtigen Leben, einhergehend mit der ständigen Sehnsucht nach Feierabend, Wochenende und Ferienzeit.
Aufgrund der Digitalisierung und des demografischen Wandels stehen die meisten Unternehmen an einem Wendepunkt
Und dieser Wendepunkt kann New Work nochmal auf eine ganz neue Ebene heben.
Durch die Digitalisierung haben sich viele der manuellen Arbeitsplätze in Wissensarbeitsplätze verwandelt. Doch das ist nicht das Ende. Die Wissensarbeit wird zunehmend durch künstliche Intelligenz übernommen.
Die Digitalisierung ermöglicht digitale Geschäftsmodelle mit digitalen Schnittstellen. Wir erleben eine digitalisierte Welt, die sich immer schneller dreht. Dadurch stehen wir unter Druck, immer schneller und agiler zu werden.
Und gerade Unternehmen mit ausgeprägten Machtstrukturen könnten den Wendepunkt als Scheidepunkt erleben, wenn sie nicht die strenge Arbeitsteilung aufgeben und mehr Verantwortung, Flexibilität und Freiraum an die eigenen Mitarbeiter abgeben. Denn agile Strukturen funktionieren nicht gut mit machterhaltenden Hierarchien.
Neben der Digitalisierung ist auch der demografische Wandel ein guter Nährboden für New Work. Das allgemeine Interesse an New Work ist seit 2015 immer weiter angestiegen.

New Work Trend - Datenquelle: Google Trends (https://www.google.com/trends)
Durch den demografischen Wandel fehlen in Deutschland immer mehr Arbeitskräfte. Die Arbeitgeber sitzen nicht mehr am längeren Hebel und müssen sich umstellen, damit sie weiterhin Arbeitskräfte für sich gewinnen können.
Daher bleibt es spannend, wie sich New Work zukünftig weiterentwickeln und unser Leben verändern wird.
Welche Vorteile bieten die Arbeitsmodelle des New Work?
Wie können wir als einzelne Person nun heute von diesem Trend profitieren?
New Work ist nicht nur für Mitarbeiter in einem Unternehmen relevant. Auch ein Selbstständiger kann sich die Frage stellen, ob er seine Kernarbeitszeit einschränkt, in der er seine Kundentermine legt. Dann ist er in der restlichen Zeit flexibler. Vielleicht wandelt er aber auch sein Geschäftsmodell ab, damit er von überall auf der Welt arbeiten kann.
Das traditionelle Arbeitsmodell wurde im Lauf der Zeit in vielfacher Weise aufgeweicht. Oft geht es dabei um die Arbeitszeit oder den Arbeitsort. Einige dieser Ansätze habe ich für dich aufgelistet.
- Kernarbeitszeit mit flexiblen Start- und Endzeiten. In der Kernarbeitszeit ist man zum Beispiel erreichbar für Besprechungen und Meetings. Die restliche Zeit kann man sich flexibel einteilen. Bei einem flexiblen Arbeitszeitmodell ist oft der Drang nach einer Stundenreduktion nicht mehr so groß. Insbesondere für Eltern kann eine ausreichend flexible Zeiteinteilung eine Möglichkeit sein, trotz Kinder weiter Vollzeit, anstatt Teilzeit arbeiten zu können.
- Flexible Arbeitszeit ohne Kernarbeitszeiten. Falls gemeinsame Besprechungen und Meetings durch andere Kommunikationsformen ersetzt werden können oder zumindest auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden, ist eine einheitliche Kernarbeitszeit nicht immer notwendig. Bei der an Ergebnissen orientierten Vertrauensarbeitszeit stehen die erbrachten Ergebnisse im Vordergrund und nicht die dafür verwendete Arbeitszeit.
- Reduktion der Arbeitszeit. Menschen, die mehr Zeit für ihre Familie benötigen oder nebenher einer anderen Tätigkeit nachgehen, benötigen eine Reduktion ihrer Arbeitszeit. Oft reduzieren sie ihre Arbeitszeit aber nicht deshalb, weil sie insgesamt weniger arbeiten möchten, sondern weil sie zum Beispiel ihre aktuelle Arbeit als zu anstrengend empfinden oder sie einfach Zeit für weitere Verpflichtungen benötigen.
- Reduktion der Arbeitstage. Manche Menschen wünschen sich freie Tage, die sie nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten können. Zusammen mit der Reduktion der Arbeitszeit kann zum Beispiel ein kompletter Tag für die Familie freigehalten werden oder für ein soziales Projekt, für das man sich engagiert.
- Sabbaticals. Wenn man für einen längeren Zeitraum etwas unternehmen möchte, das nicht in den Arbeitsalltag passt, kann man zum Beispiel in unterschiedlichen Formen diese Zeit vorarbeiten, die man dann gegen eine längere Auszeit einlöst.
- Unbegrenzter Urlaub. Ein etwas außergewöhnliches Konzept ist der unbegrenzte Urlaub. Einige Unternehmen legen die maximale Anzahl an Urlaubstagen nicht fest und geben den verantwortungsvollen Umgang damit in die Hände ihrer Mitarbeiter. Dieses Konzept eignet sich besonders für Mitarbeiter, die ohnehin eine an Ergebnissen orientierte Vertrauensarbeitszeit haben.
- Home-Office. Das Home-Office ist hauptsächlich für Schreibtischarbeitende eine Option. Im Home-Office kann man einen Teil seiner Arbeit von zuhause erledigen. Diese örtliche Flexibilität wird oft durch den Arbeitgeber auf bestimmte Tage eingeschränkt und bedeutet nicht unbedingt, dass man auch zeitlich flexibel arbeiten kann. Das Home-Office kommt insbesondere Pendlern entgegen, die einen langen Anfahrtsweg ins Büro haben und den stressigen Berufsverkehr meiden können.
- Remote Work. Von Remote Work spricht man meistens, wenn man 100% seiner Arbeit aus der Ferne erledigen kann. Dabei sind Arbeitsort und Arbeitszeit mehr oder weniger frei wählbar. Anstatt nur von zuhause zu arbeiten, kann ein Remote-Arbeiter auch gerne mal in einem Café, im Park oder unterwegs seine Arbeit erledigen. Zu den Remote-Arbeitern formieren sich auch immer mehr Remote-Unternehmen. Ein Remote-Unternehmen, das vollständig auf Remote-Arbeiter ausgerichtet ist, benötigt kein Bürogebäude mehr.
- Job-Rotation. Obwohl viele Menschen sich regelmäßig wechselnde Arbeitsaufgaben wünschen, wird Job-Rotation eher selten angeboten und eingefordert. Dabei unterstützt Job-Rotation das lebenslange Lernen und man findet vielleicht sogar eine Aufgabe, die besser zu einem passt.
- Co-Working Spaces. Co-Working Spaces sind Gemeinschaftsbüros, in denen man einen Arbeitsplatz für bestimmte Zeiträume mieten kann. Wer zum Beispiel nicht allein im Home-Office arbeiten möchte oder aus räumlichen Gegebenheiten nicht kann, sollte diese Variante in seine Überlegungen einbeziehen. Mittlerweile gibt es auch Co-Working mit Kinderbetreuung als Alternative zu einer verlängerten Elternzeit oder zu unproduktiven Tagen im Home-Office, wenn man sein Kind allein betreut.
- Jobsharing. Beim Jobsharing teilen sich mindestens zwei Personen einen Arbeitsplatz. Dabei ist nicht nur die 50/50-Aufteilung üblich, sondern auch andere Zusammensetzungen, wie 20/80, 30/70 und 40/60. In leitenden Positionen wird oft die Zusammensetzung 60/60 oder 70/70 genutzt mit zeitlichen Überschneidungen bei der Anwesenheit. Man spricht von Co-Leitung, wenn die leitenden Personen sich ihre Arbeit in unterschiedliche Rollen und Verantwortlichkeiten aufteilen. Jobsharing ist eine ernst zu nehmende Möglichkeit für Eltern, auch in Teilzeit ihre Aufgabe im Projektmanagement oder in der Teamleitung behalten zu können.
Die größten Herausforderungen bei der Wahl und Umsetzung von flexiblen Arbeitsmodellen
New Work erfordert ein Umdenken in der Unternehmensführung. Viele Mitarbeiter, die gerne flexibler arbeiten möchten, sind aber immer noch gezwungen, Pionierarbeit in ihrem Unternehmen zu leisten. Sie müssen gegen viele Widerstände ankämpfen.
Viele Menschen, die ihre Arbeit flexibel gestalten können, arbeiten oft mehr als vorher. Sie machen viele Überstunden, sind ständig erreichbar oder fühlen sich durch die Vermischung von beruflichen und privaten Aktivitäten zerrissen und unproduktiv. Letzteres ist oft bei Eltern der Fall, die sich neben ihrer Arbeit auch intensiv um ihre Kinder kümmern.
Flexibles Arbeiten verlangt daher den Menschen mehr ab. Wenn sie mehr Verantwortung übernehmen, benötigen sie nicht nur bessere Kommunikationsfähigkeiten, sondern auch ein besseres Selbstmanagement.
Wie kannst du die Vorteile von New Work für dich nutzen?
Sobald du für dich klar hast, wie du in Zukunft arbeiten möchtest, kannst du an verschiedenen Stellen ansetzen:
- In einem ersten Schritt kannst du erkunden, welche Möglichkeiten dein aktueller Arbeitgeber bietet und wie weit er bereit ist, dir entgegenzukommen. Für ein Job-Sharing ist es nützlich, schon vorab eine passende Person im Unternehmen ausfindig zu machen.
- Wenn das nicht reicht, dann kannst du dich nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen umsehen. In vielen Jobportalen kannst du Stellen nicht nur nach Teilzeit oder Vollzeit filtern, sondern auch nach Home-Office und Remote-Job.
- Falls du lieber dein eigener Chef sein möchtest, kannst du dich selbstständig machen oder ein eigenes Unternehmen gründen.
- Und wenn du schon selbstständig bist, kannst du dir überlegen, wie du in Zukunft arbeiten möchtest und wie das passende Geschäftsmodell dazu aussieht.
New Work bedeutet nicht, möglichst wenig zu arbeiten oder sich nicht anstrengen zu müssen
New Work sollte es jedem Einzelnen von uns ermöglichen, Arbeit zu einem sinnvollen und wesentlichen Teil unseres Lebens machen zu können.
Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit. Es ist auch Arbeit, sich um seine Kinder zu kümmern. Es ist auch Arbeit, das Abendessen vorzubereiten. Wenn es um unser körperliches und geistiges Wohlbefinden geht, unterscheidet unser Gehirn nicht zwischen beruflich und privat. Für unser Gehirn ist alles eins, unser Leben.
Freizeit kann daher nicht ausgleichen, was unsere Arbeit vermissen lässt. Wenn die ständige Sehnsucht nach Freizeit nachlässt, ist das ein guter Indikator dafür, dass wir mit New Work auf dem richtigen Weg sind.
New Work stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Wenn man aus dieser Haltung heraus ein Unternehmen aufbaut, entstehen neue Geschäftsmodelle, neue Arbeitsmodelle und neue Unternehmenskulturen.
Wie tiefgreifend sich New Work auf unsere Gesellschaft auswirken wird, können wir allenfalls erahnen. Als die ersten Autos auf den Wegen fuhren, die für Pferde gemacht waren, konnte auch noch niemand genau sagen, wohin uns ein Leben mit modernen Fortbewegungsmitteln bringen würde.
Mach dich also auf den Weg und finde es heraus. Nutze die Möglichkeiten von New Work für ein smartes Leben!

Hallo Frank,
Dein Artikel ist hochinteressant:
Für mich war das durch die Corona-Krise bedingte Arbeiten im Home Office wirklich eine Offenbarung. Meine Firma hat jetzt bereits dem ständigen 2 von 5 Tagen Home-Office-Rhythmus zugestimmt, es ist aber keine Verpflichtung. Meine alleinstehenden Kollegen sind lieber im Büro als alleine zu Hause.
Weiter so 😉
Freut mich, dass der Artikel zu deiner Erfahrung passt. Die Idee ist ja, dass jeder es sich so einrichten kann, wie es zur Lebenssituation passt.